StVG und StVO: Bundesrat als Reformbremse - ADFC Bonn/Rhein-Sieg

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg e. V.

StVG und StVO: Bundesrat als Reformbremse

(24. Nov. 2023) Überraschend hat der Bundesrat am 24.11. dem vom Deutschen Bundestag am 20. Oktober 2023 verabschiedeten Zehnten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes die Zustimmung versagt.

Ohne gültiges Gesetz fehlte auch die Rechtsgrundlage für die Beratung des Entwurfs einer neuen Straßenverkehrsordnung aus dem Hause von Verkehrsminister Wissing. Die StVO wurde folglich von der Tagesordnung abgesetzt.

Das neue Gesetz, das von ADFC und VCD begrüßt worden war, auch wenn es ihnen nicht weit genug ging, hätte es ermöglicht,

  • bei behördlichen Anordnungen neben der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung zu berücksichtigen,
  • Bewohnerparken mit sozial gestaffelten Gebühren flexibler anzuordnen,
  • Sonderfahrspuren für Linienbusse einzurichten,
  • angemessene Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrradverkehr sowie für den Fußverkehr bereit zu stellen und
  • Tempo-30-Regelungen leichter an Fußgängerüberwegen, vor Kindergärten und Kindertagesstätten, Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern einzurichten.

Die Ablehnung kam umso überraschender, als der Verkehrsausschuss des Bundesrates sich einstimmig für die Zustimmung zum StVG ausgesprochen hatte. Auch die Verkehrsministerkonferenz der Länder hatte in großer Einigkeit eher weitergehende Erleichterungen zum Beispiel für Kommunen, die ein flächendeckendes Tempo 30 einführen wollen, gefordert und sich für die Aufnahme der »Vision Zero« mit dem Ziel von null Verkehrstoten ausgesprochen. Der Spiegel vermutet: „Die Kehrtwende ging anscheinend von unionsgeführten Landesregierungen wie Bayern aus. Die Begründung: Das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs dürfe nicht aufgeweicht werden, weil andere Ziele wie Klimaschutz hinzukommen.“ Anscheinend setzen Teile der Union nach ihrem Erfolg in Sachen Haushalt auf Destruktion und wollen jede Gelegenheit zum Misserfolg der Berliner Ampel nutzen, auch wenn das auf Kosten der Verkehrssicherheit von Radfahrerinnen und Fußgängern geht.
 
Unter den Ländern, die die Zustimmung zum StVG verweigerten, war auch Nordhrein-Westfalen., Folglich konnte auch NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) nichts anderes tun, als im Nachgang zu protestieren: „Der Bundesrat hat heute die Chance verpasst, den Straßenverkehr umwelt- und klimafreundlicher und vor allem sicherer zu gestalten. … Auch wenn die Reform vielen noch nicht weit genug ging, wäre die geplante Regelung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen. Durch das Votum des Bundesrates ist dies nun erst einmal gescheitert. Wir werden aber weiter an der Reform des Straßenverkehrsrecht arbeiten“,  ließ sein Ministerium in Anschluss an die Sitzung verlautbaren.

Laut Koalitionsvertrag enthält sich NRW im Bundesrat, wenn keine Einigkeit besteht. Nach Grundgesetz (Art. 51 Abs. 3 Satz 2) müssen alle Stimmen eines Landes im Bundesrat einheitlich abgegeben werden. Da für Beschlüsse mindestens die absolute Mehrheit der Stimmen (zurzeit 35) erforderlich ist, werden bei den Abstimmungen nur die Ja-Stimmen gezählt. Enthaltungen sind im Bundesrat also nicht neutral, sondern wirken wie Ablehnungen. Auch das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg enthielt sich der Stimme, votierte damit also gegen das neue Straßenverkehrsgesetz, obwohl Verkehrsminister Winfried Hermann noch in der Bundesratssitzung um Zustimmung geworben hatte. Anders übrigens als die schwarz-grün regierten Länder Schleswig-Holstein und Berlin, die stimmten zu, wie auch einge SPD-geführte Länder und Thüringen! 

Großes Bedauern bis Entsetzen über die unerwartete Refomrschlappe kam aus unterschiedlichsten Bereichen: vom Deutschen Städtetag, vom Thinktank Agora-Verkehrswende, vom Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK) … Jetzt werden wohl Bundesregierung oder Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen, um erneut in elendig langen Verhandlungsrunden mit den Ländern über (noch schlechtere) Kompromisse zum Straßenverkehrsgesetz zu verhandeln. Solange müssen Kommunen aufwändig jeden Eingriff in die Flüssigkeit des Autoverkehrs begründen, solange wird das Abschalten von Notbremsassistenten in Lkw nicht verboten und solange wird es auch das neue Verkehrszeichen „Ladezone“ nicht geben. Schade drum!

alle Themen anzeigen

Verwandte Themen

Niederkassel tritt beim Fahrradklima weiter auf der Stelle

ADFC und Stadtverwaltung stellen Ergebnisse des Fahrradklima-Test 2022 vor

ADFC Hennef: Überholverbot von Radfahrern bewährt

Hennef, 12.02.2023 - Ziel muss jedoch eine Neugestaltung der Frankfurter Straße sein

Radwege-Reinigung (?) in Windeck

Es geschehen tatsächlich doch noch Zeichen und Wunder! Ergänzender Nachtrag (13. Januar 2023) zu dem untenstehenden…

Rheinufer unter der Kennedybrücke

Rheinpromenade Bonn: Menschen statt Autos

Gemeinsames Konzept von ADFC und Radentscheid

Bonn: Königswinterer Straße wird fahrradfreundlicher

(August 2023) Lange haben wir hierauf warten müssen: Bereits 2016 wurden die Pläne für neue Markierungen für eine…

ADFC-Bürgerantrag sieht Fahrradstraßen in Uckendorf und Rheidt vor

Einführung von Fahrradstraßen wurde pünktlich zum 25. Geburtstag erleichtert

Pendlerroute

Aktuelle Pendlerrouten

In der heutigen Zeit stellt sich u.a. klimaschutz- und staubedingt die Frage, ob Pendler*innen ihr Mobilitätsbedürfnis…

Bonner Verkehrsflächen werden neu aufgeteilt

In konkreter Planung sind derzeit Verbesserungen für den Radverkehr auf der Ost-West-Achse zwischen Alter Friedhof über…

St. Augustin im vorderen Mittelfeld

Positiv bewertet: Gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums - zügiges Vorankommenmit dem Rad möglich

https://bonn-rhein-sieg.adfc.de/artikel/stvg-und-stvo-bundesrat-als-reformbremse-1

Bleiben Sie in Kontakt