Seilbahn besteht ersten Test
Verkehr in Bonn könnte künftig in die Luft gehen
"Volkswirtschaftlich sinnvoll", das ist das Ergebnis der "Standardisierten Bewertung", der sich Verkehrsprojekte, die von Bund und Land gefördert werden wollen, unterziehen müssen.
Die hat das Bonner Seilbahnprojekt mit einem "Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,6" mit Bravour bestanden; das bescheinigen jedenfalls die Gutachter vom Ingenieurbüro Spiekermann. Jeder investierte Euro bringt demzufolge einen Nutzen von 1,60 €. Das ist für Verkehrsprojekte ein sehr positiver Wert. Damit könnte Bonn mit der Seilbahn als Teil des städtischen Bus-und-Bahn-Netzes in Deutschland Neuland betreten. Mit dem ganz normalen ÖPNV-Tarif könnte man künftig auf der neuen Ost-West-Achse vom Beueler Schießbergweg, dem künftigen S-Bahnhaltepunkt, über den Rhein ins Bundesviertel, zum Bahnhof UN-Campus, zum Kessenicher Loki-Schmidt-Platz (Straßenbahnen 61/62) und zu den Uni-Kliniken auf den Venusberg schweben.
15.000 Fahrgäste, so die Potenzialanalyse, könnten die Seilbahn täglich auf der 4,3 Kilometer langen Strecke mit 34 Stützen und fünf Stationen nutzen und so rund 12 Millionen Pkw-Kilometer pro Jahr vermeiden. Fahrtzeit von Beuel zum Venusberg: 20 Minuten. Das wird vor allem die 8.000 Beschäftigten der 39 UKB Kliniken freuen, aber auch die jährlich 350.000 ambulanten Patienten und die Besucher der 50.000 stationären Patienten dort. Wenn die alle mit der Seilbahn fahren, haben die Ambulanzwagen mit den jährlich 33.000 Notfallpatient*innen zum Venusberg freie Fahrt.
Als nächster Schritt wird das Projekt mit Investitionskosten von 66 Millionen Euro für den derzeit gültigen ÖPNV-Bedarfsplan und den ÖPNV-Infrastrukturfinanzierungsplan des Landes angemeldet. Den größten Teil der Investitionen wird der Bund über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) fördern. Der städtische Eigenanteil verbliebe bei elf Millionen Euro. Anders die Folgekosten. Die werden in Zukunft der Betreiber des ÖPNV, die Stadtwerke Bonn, tragen. Die jährlichen Betriebskosten werden anfangs bei 800.000 Euro liegen, später auf 1,1 Millionen und langfristig auf 2,1 Millionen Euro steigen; Summen, die durchaus konkurrenzfähig sind mit dem Betrieb von Stadtbahnen und Bussen.
Urbane Seilbahnen kennt man eher aus weiter entfernten Regionen. Im bolivianischen La Paz setzt man seit 10 Jahren auf Seilbahnen. Die Betreibergesellschaft Mi Teleférico betreut inzwischen ein Netz von zehn Linien mit einer Streckenlänge von über 30 km. Mehr als 300.000 Fahrgäste werden täglich zwischen dem bolivianischen Regierungssitz und der Nachbarstadt El Alto befördert. Und das Netz dort wächst weiter. Auch andere Städte setzen auf das umweltfreundliche und leise Verkehrsmittel, darunter Portland, Las Vegas, Caracas, London, Bilbao und Wellington. Für die Seilbahn sprechen vor allem der schnelle Bau mit geringen Baukosten gegenüber U-Bahnen oder Straßentunneln.
Ein großer Vorteil der Seilbahn ist, dass Sie ihren tonnenschweren Motor nicht mitschleppen muss. So berechnete bereits 2017 die eher autofixierte Zeitschrift auto-motor-und-sport: "Auch in der Energiebilanz sind Seilbahnen sparsame Zugpferde. Die Anlage in Koblenz transportiert zum Beispiel 3.800 Personen pro Stunde und Richtung, was einen Energieaufwand von einer Zehntel-Kilowattstunde pro Person und Kilometer bedeutet. Das ist die Strommenge, die etwa ein Haarföhn in fünf Minuten in die Luft bläst. Der Grund für den hohen Wirkungsgrad der Seilbahnen liegt im sehr guten Verhältnis der Nutzlast, also den Passagieren, zum Eigengewicht der Bahn."
Eine spätere Verlängerung der Seilbahn rechtsrheinisch vom Schießbergweg aus über den U-Bahnhof Ramersdorf hinauf auf den Ennert soll nach Ratsbeschluss geprüft werden. So könnten auch noch Rhein-Sieg-Bürger*innen und Wanderfreunde im Siebengebirge in den Genuss der Seilbahn kommen. Bevor gebaut wird, wird die Seilbahn wie jedes öffentliche Verkehrsprojekt ein Planfeststellungsverfahren mit Offenlage der Pläne, Einwendungen, Entgegnungen und Anhörung durchlaufen müssen.
Bevor es soweit ist, werden die Bonnerinnen und Bonner voraussichtlich in einem Ratsbürgerentscheid am 15. Mai zeitgleich mit den Landtagswahlen über das Projekt abstimmen können. Der ADFC ist schon lange dafür. Gemeinsam mit anderen Umwelt- und Verkehrsverbänden wirbt er für das umweltfreundliche Verkehrsprojekt auf dieser Internetseite. Weitere Infos mit vielen Antworten auf oft gestellte Fragen bietet die Stadt Bonn hier.