Stellungnahme des ADFC Bonn/Rhein-Sieg zum Klimaplan der Stadt Bonn (März 2023) - ADFC Bonn/Rhein-Sieg

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg e. V.

Stellungnahme des ADFC Bonn/Rhein-Sieg zum Klimaplan der Stadt Bonn (März 2023)

Bis zum Jahr 2035 soll die Stadt Bonn klimaneutral sein. Der ADFC begrüßt die Ziele des Klimaplans. Gerade im Bereich der Mobilität in Bonn brauchen wir eine drastische Verringerung der CO2 Emissionen. Dafür hat der ADFC jetzt Vorschläge erarbeitet.

Der ADFC begrüßt das Ziel der Stadt Bonn, Klimaneutralität bis zum Jahre 2035 zu erreichen. Nur so kann es gelingen, die Auswirkungen der Klimaveränderungen zu begrenzen. Der von der Stadt Bonn vorgelegte Klimaplan 2035 enthält dafür viele Vorschläge und Hinweise. 
Positiv ist auch, dass der Klimaplan ein Arbeitsprogramm für die Kernverwaltung enthält und somit nicht nur mögliche Maßnahmen, sondern auch Verantwortlichkeiten festgelegt sind.

Der ADFC hat sich in erster Linie mit dem Themenfeld Mobilität befasst.

Klare Priorität für eine Mobilitätswende mit Schwerpunkt auf der Förderung des Umweltverbundes

Für den ADFC geht es nicht nur um CO2 Reduktion, sondern auch um Mobilitätswende. D.h. mehr Platz für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad mobil sind, sowie mehr begrünte Plätze und Bäume in der Stadt. Es geht neben unserem Anteil am Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen um die Aufwertung des Stadtraumes durch mehr Aufenthaltsqualität, wo immer es geht.
Vor diesem Hintergrund geht es vor allem um eine umfassende Mobilitätswende, nicht um eine Antriebswende. Unser Ziel sind nicht in erster Linie Elektroautos auf unseren Straßen, sondern mehr Flächen für das Zufußgehen, Radfahren und Lebensqualität in der Stadt. Da auch E-Autos in erheblichem Ausmaß endliche Ressourcen verbrauchen und gleich viel Fläche in der Stadt  “verbrauchen”, plädieren wir dafür, die städtische Förderung der E-Mobilität auf den ÖPNV und städtische Fahrzeuge zu konzentrieren.
Für die Mobilitätswende zentral ist die Stärkung des Umweltverbundes (Öffentlicher Verkehr, Fahrrad, zu Fuß gehen oder Sharing Angebote).
Bei der Förderung der Radnutzung ist zu berücksichtigen, dass sich das Radfahren diversifiziert hat.
Manche Räder werden schneller (e-bike), andere brauchen mehr Platz (Cargo Bikes ) und auch das
Angebot und die Nachfrage nach Kinderrädern wächst. Alle brauchen sichere Routen und
Abstellmöglichkeiten in Bonn.

Bonn braucht ein ambitioniertes Vorgehen, um die gewünschten Ziele zu erreichen

Wir begrüßen die konkrete Berechnung des Budgets, das Bonn an Klimagasemissionen bleibt, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Dies ist ein wichtiger und unerlässlicher Schritt, um konkretes Handeln abzuleiten. Bei der Berechnung des Emissionsbudgets für Bonn liegen dem Zielschluss Bonner Klimaplan allein Daten des BDI (Studie Klimapfade 2.0) zugrunde. Dies scheint uns als alleinige Quelle nicht ausreichend.
Die Studie "Mobiles Baden-Württemberg" kommt für das Land Baden-Württemberg zu anderen Ergebnissen. Weil Bonn - wie viele Teile Baden-Württembergs - eine strukturstarke Region ist, gibt es Grund zur Annahme, dass die Ergebnisse und Prognosen auch für Bonn gültig sind.
Wenn wir das Vorjahr des Pariser Klimaabkommens - nämlich 2014 - als Ausgangspunkt nehmen, dann dürfen im Jahr 2030 noch 80 % der derzeitigen Fahrzeugflotte auf den Straßen unterwegs sein. Diese haben maximal eine KM-Leistung von 55% des 2014er-Wertes. Im Jahr 2050 muss dann ein Wert von 16,66% des Flottenbestands von 2014 erreicht sein.

Anders gesagt: 83,34% der Fahrzeuge, die 2014 auf den Straßen Bonn fuhren, fahren dann nicht mehr. Wenn der dann verbleibende Fahrzeugbestand im Jahr 2050 noch eine Kilometerleistung von jährlich durchschnittlich 30% der 2014er Zahl aufweist, hat der Mobilitätssektor seinen Anteil am Erreichen des Pariser Abkommens erfüllt. (Quelle: Baden-Württemberg Stiftung (2017) Hg.: Mobiles Baden-Württemberg - Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität. Abschlussbericht der Studie. Stuttgart.)

Vor diesem Hintergrund plädieren wir für ambitionierte und vor allem konkretere Ziele zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs in Bonn. Nur so können sowohl die Klimaziele erreicht als auch der Raum für die Mobilitätswende in der Stadt frei gemacht werden.

Was bedeutet das Ziel konkret, den Anteil des Radverkehrs am Modal Split von derzeit 15% auf
25% bis zum Jahr 2035 zu erhöhen?


In den Ausführungen zum Klimaplan sind lediglich Zielwerte benannt, es sind keine Operationalisierungen vorgenommen worden. So wird im Arbeitsprogramm davon ausgegangen, dass bei Erreichen des Ziels im Jahr 2035 eine CO2 Einsparung von dann jährlich 31 000 Tonnen erreicht werden kann. Kumuliert für den Zeitraum bis 2035 gehen die Gutachter von einer Einsparung von 228000 Tonnen aus. Was diese Zahlen aber genau bedeuten - das muss im Klimaplan noch präzisiert werden. Denn nur dann lassen sich gezielte Aktivitäten entfalten, wer wann und wie dafür motiviert werden kann, den eigenen Pkw stehen zu lassen und Wege dauerhaft mit dem Rad zurückzulegen.
Es mangelt derzeit an konkreten Erkenntnissen darüber, wie insbesondere die Kurzstrecken-Nutzung von Pkw verringert werden kann. Geschätzt wird, dass mindestens die Hälfte der Kurzstrecken, für die heute ein Kfz genutzt wird, durch Radverkehr ersetzt werden können.

Was braucht es, um diese Ziele zu erreichen?

Wer mehr Menschen dazu bewegen will, häufiger das Rad zu nutzen, braucht in erster Linie eine gute Infrastruktur. Diese ist im Radentscheid Bonn ausführlich beschrieben. Zentral ist eine einladende Radinfrastruktur. Einladend heißt: Radwege müssen sicheres, komfortables und zügiges Vorankommen ermöglichen. Sie sollten auch Radfahrenden, die sich noch unsicher auf dem Rad bewegen, ein hohes Sicherheitsgefühl und Freude vermitteln.

Mit dem Radentscheid Bonn sind vom Rat der Stadt Bonn folgende Ziele beschlossen worden, die jetzt umgesetzt werden müssen. Nur wenn diese Umsetzung schnell erfolgt, lassen sich die Reduktionsziele erreichen. Das jetzige Tempo bei der Umsetzung ist dafür zu langsam, die Umsetzungsprozesse zu langwierig.

Die Ziele des Radentscheides im Einzelnen:

  • ein sicheres und durchgängiges Geh- und Radwegenetz neue Rad- und Gehwege auf der Basis von Mindeststandards
  • Große Ampelkreuzungen sicher gestalten
  • sichere Einmündungen und Zufahrten
  • mehr Fahrradabstellplätze - insbesondere an Verkehrsknotenpunkten wie an Bahnhöfen und S-Bahn-Haltestellen
  • Geh- und Radwege nutzbar halten
  • transparente Umsetzung

Es braucht für mehr Radverkehr nicht nur eine bessere Infrastruktur, sondern auch mehr Fahrsicherheitstrainings. Derzeit führt die Polizei Bonn solche Trainings (mit reduziertem Personaleinsatz) in den Grundschulen durch. Es ist aber erforderlich, sie auch in der Sekundarstufe I anzubieten, da dann die Schulwege in der Regel länger und schwieriger sind.

Die möglichen CO2-Einsparungen sind bislang nur gerechnet. Deshalb ist es wichtig, dass sie überprüft, konkretisiert und weiter gesteckt werden. Denn aus Sicht des ADFC sollten wir ein klimagerechtes Bonn gestalten und nicht nur ein klimaneutrales Bonn.

Was fehlt im Klimaplan? - Regional denken und Regional handeln

Bonn ist keine Insel. Deshalb hängen Erfolg bzw. Misserfolg des Klimaplanes davon ab, wie eine klimafreundliche Mobilität für die Pendlerströme nach Bonn, aus Bonn und in Bonn gefördert werden kann.
Täglich pendeln 140 000 Menschen auf dem Weg zu ihren Arbeitsstellen nach Bonn hinein. Viele kommen mit dem Auto - vor allem, weil die Anbindung ihrer Städte und Gemeinden an den öffentlichen Verkehr unzureichend ist. Deshalb brauchen wir einen ganzheitlichen, regionalen Ansatz bei den Klimaschutzmaßnahmen durch den Umweltverbund. Wie können Radpendlerrouten schneller ausgebaut werden, wie werden Städte und Gemeinden im Umland durch Busse, Rufbusse, Bahnen, Seilbahnen oder Wassertaxis besser erschlossen? Wie lassen sich durch geregeltes Home-Office Wege vermeiden? Wo können Coworking Spaces in der Region für eine gute Anbindung an Arbeitgeber und Behörden in Bonn entstehen?
Die geplanten Aus- und Neubauten von Autobahnen in der Region gehören auf den klimapolitischen Prüfstand. Denn die Klimaziele der Stadt Bonn werden konterkariert, wenn gleichzeitig die Emissionen auf den Strecken, die durch das Stadtgebiet - oder auch den Rhein-Sieg-Kreis - führen, ansteigen. Die notwendige Sanierung der vorhandenen Autobahnen dürfen nicht dazu genutzt werden, diese Strecken für mehr Autoverkehr auszubauen und so neuen, induzierten Verkehr erst zu erzeugen.

Projektgruppe Klimaschutz im ADFC: Julia Dick, Stefan Padberg, Gerd Billen

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