ADFC sieht weiter Chancen für Radschnellweg am Tausendfüßler
Brief an Bundestagsabgeordnete aus Bonn und dem Rhein-Sieg Kreis
In einem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten aus Bonn und dem Rhein-Sieg Kreis setzt sich der ADFC-Kreisverband für eine Überprüfung der Planungen für den Tausendfüßler im Zuge der Autobahn 565 und für den Bau eines parallelen Radschnellweges ein. „Der Zeitpunkt ist jetzt günstig, da ohnehin nach dem Fernstraßenausbaugesetz die Überprüfung des Bedarfs vorgeschrieben ist“, sagt Bernhard Meier, 2. Vorsitzender des ADFC Bonn/Rhein-Sieg. „Das Mahnmal der nicht mehr befahrbaren Rahmedetalbrücke auf der Sauerlandlinie (A45) bei Lüdenscheid sollte der Regierungskoalition endgültig vor Augen führen: Wir brauchen keine neuen Autobahnen, wir müssen die vorhandenen in Schuss halten. Und dabei die Chance nutzen, wo immer möglich, dem Radverkehr eigene sichere Trassen zu verschaffen.“ Zwischenzeitlich hatte auch der Bundestag durch eine Gesetzesänderung im Mai 2020 die Möglichkeit geschaffen, „Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesautobahnen … bedarfsabhängig durch den Träger der Straßenbaulast so zu bauen und zu unterhalten, dass auf ihnen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.“
Der ADFC äußert massive Zweifel am Zeitplan der Autobahn GmbH, die schon Ende 2023 mit den Bauarbeiten beginnen will, obwohl erst Ende 2022 der Anhörungstermin des Planfeststellungsverfahrens geplant ist. Dabei muss die Behörde noch ein neues Klimagutachten erarbeiten. „Auch das neue Gutachten muss offengelegt werden für mögliche Einwendungen“, so Meier. „Danach innerhalb eines knappen Jahres einen vollziehbaren Planfeststellungbeschluss und das notwendige europaweite Vergabeverfahren rechtsicher zu Ende zu bringen, ist hochriskanter Terminpoker.“ Deshalb schlägt der ADFC, den Tausendfüßler in seinen jetzigen Dimensionen zu belassen und um einen Radweg zu ergänzen. Meier: „Viel realistischer ist eine Neuplanung nur für die Sanierung des bestehenden Tausendfüßlers ohne Ausbau auf sechs Fahrstreifen. Das ermöglicht auch gleichzeitigen Bau des von der Region gewünschten Radschnellweges.“
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An die
Damen und Herren Bundestagsabgeordneten aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis
Frau Katrin Uhlig MdB
Frau Jessica Rosenthal MdB
Herrn Alexander Graf Lambsdorff MdB
Frau Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB
Herrn Norbert Röttgen MdB
Frau Nicole Westig MdB
Herrn Sebastian Hartmann MdB
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Abgeordneter,
eines der bedeutendsten und teuersten Bauprojekte des Bundes in der Region ist der Ausbau der Autobahn 565 im Bonner Stadtgebiet mit dem Teilprojekt Erneuerung des sogenannten Tausendfüßlers zwischen den Anschlussstellen Bonn-Endenich und Bonn-Tannenbusch. Jüngsten Medienberichten zufolge (Bonner General-Anzeiger vom 07.01.2022) wird sich die für das Planfeststellungsverfahren notwendige Anhörung zu den erfolgten 381 Einwendungen* gegen den sechsspurigen Ausbau der Autobahn in diesem Abschnitt weiter verzögern, unter anderem auch deshalb, weil wegen der Novellierung des Klimaschutzgesetzes die Vorlage eines weiteren ausführlichen Klimagutachtens einschließlich Offenlage und Einwendungsmöglichkeiten notwendig sei.
Nun sei für den Erörterungstermin das vierte Quartal 2022 avisiert, der Baubeginn soll nach Plan weiterhin bis Ende 2023 erfolgen. Dies dürfte sich als kaum realistisch erweisen. In dem von der Autobahn GmbH angepeilten Zeitrahmen von einem Jahr bis zum Baubeginn müsste der Planfeststellungsbeschluss vorgelegt und vollziehbar werden, also Klagen mit aufschiebender Wirkung abgewiesen werden, und die rechtssichere Submission der notwendigen europaweiten Ausschreibung für das inzwischen auf 300 Millionen Euro geschätzte Projekt, also einschließlich der Abweisung möglicher Vergabeklagen, erfolgt sein. Das ist auch angesichts der derzeit boomenden Baukonjunktur wenig realistisch.
Wir meinen, die Autobahn GmbH sollte die Zeit nutzen, das Projekt so umzuplanen, dass in der Region ein weitgehender Konsens über das Vorhaben erzielt wird. Gelegenheit dazu ergibt sich für Sie als Gesetzgeber und damit Auftraggeber der Autobahn GmbH aus der gesetzlich vorgesehenen Bedarfsplanüberprüfung.
Gesetzliche Grundlage für den Ausbau der A565 ist das „Sechste Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes“ (6. FStrAbÄndG). Es ist in Kraft getreten am 31.12.2016 (mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt BGBl. I 2016, 3354 — 3411). Einzige Änderung gegenüber dem 5. FStrAbÄndG ist die Anlage, das ist der Bedarfsplan, der dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) entspricht. In §4 des Fernstraßenausbaugesetzes (FStrAbG) wird die Bedarfsplanüberprüfung nach 5 Jahren gefordert: „Nach Ablauf von jeweils fünf Jahren prüft das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, ob der Bedarfsplan der Verkehrsentwicklung anzupassen ist; in die Prüfung sind die bei der Bedarfsplanung berührten Belange, insbesondere die der Raumordnung, des Umweltschutzes und des Städtebaus, einzubeziehen. Die Anpassung geschieht durch Gesetz.“ Seit dem 31.12.2021 ist also die Bedarfsplanüberprüfung fällig.
Neue „bei der Bedarfsplanung berührte Belange“ sind seit der Verabschiedung 2016 etliche hinzugekommen: z.B. die Klimagesetzgebung des Bundes und der EU, neue internationale Verträge zum Klimaschutz, die Covid 19-Pandemie, das Leadcity-Programm der Stadt Bonn als Folge der Vereinbarung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster zum Luftreinhalteplan zwischen DUH und Land NRW/Stadt Bonn. Das alles sind Belange, die bei Verabschiedung des 6. FStrAbÄndG durch den Bundestag bzw. bei Beschlussfassung des BVWP 2030 durch die Bundesregierung noch nicht bekannt waren und also nicht berücksichtigt werden konnten.
Rechtlich ist eine umfassende Bedarfsplanüberprüfung geboten: In einem Gutachten mit dem Titel „Der Bundesverkehrswegeplan: Status Quo, Reformbedarf und Änderungsmöglichkeiten“ der Anwälte Held/Ringwald/Roller (Berlin) im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität und der Agora Verkehrswende heißt es: „Angesichts einer Laufzeit von 15 Jahren ist eine kurzfristige Überarbeitung des aktuellen Plans notwendig und rechtlich auch unproblematisch möglich. Die derzeit gelisteten Projekte sollten an neu formulierten Planungsgrundsätzen gemessen und in der Folge entweder (neu) priorisiert oder aus den Bedarfsplänen entfernt werden. Insbesondere der Vorrang der Schiene vor der Straße und der Substanzerhaltung vor dem Aus- und Neubau sind zu verankernde Grundpfeiler der Infrastrukturplanung. So können wenige wichtige Projekte zeitnah umgesetzt werden. Eine solche Neuausrichtung kann anlässlich der alle fünf Jahre stattfindenden Bedarfsplanüberprüfungen (anstehend im Dezember 2021) erwirkt werden.“
Wie Ihnen bekannt sein dürfte, hatte der ADFC Bonn/Rhein-Sieg im Jahr 2017 die Trasse entlang der A565 innerhalb des Bonner Stadtgebiets für einen regionalen Radschnellweg als Ost-West-Verbindung zwischen den links- und rechtsrheinischen Teilen des Rhein-Sieg-Kreises vorgeschlagen. In Bonn würde die direkte Linienführung dieser Trasse zwischen dem Uni-Campus in Bonn-Endenich und der Rheinquerung entlang und eventuell unter- oder oberhalb der Fahrbahn des Brückenbauwerks Tausendfüßler der A565 und auf der künftig ebenfalls neu zu bauenden Bonner Nordbrücke optimal verlaufen. Die Stadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis haben sich dieser Auffassung angeschlossen und hatten eine "Wirtschaftlichkeitsberechnung und Potenzialnachweis für den geplanten Radschnellweg (RSW) Bonn/Rhein-Sieg" vorgelegt. Diese Planung hat der frühere Landesverkehrsminister und heutige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen seitdem blockiert mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit der Sanierung des Ausbaus des Tausendfüßlers. Planungsverzögerungen könnten nicht hingenommen werden. Just diese Planungsverzögerung hat aber seitdem der früher zuständige Landesbetrieb Straßenbau NRW und die jetzt zuständige Autobahn GmbH des Bundes selbst mehrfach herbeigeführt.
Wir möchten Sie bitten:
- Nutzen Sie als Gesetzgeber die notwendige Bedarfsplanüberprüfung bei Fernstraßenausbaugesetz, Bundesschienenwegeausbaugesetz und Bundeswasserstraßenausbaugesetz für eine zukunftsfähige und klimaverträgliche Verkehrsplanung.
- Drängen Sie auf eine geänderte Planung, um die schnelle Sanierung des Bestandbauwerks Tausendfüßler einschließlich eines parallelen Radschnellwegs durchzusetzen.
- In der Präambel zum gerade erst beschlossenen Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (FaNaG) erklärt der Landesgesetzgeber seinen Willen: „Landesweit soll der Radverkehr so attraktiv werden, dass sich mehr Menschen für das Rad entscheiden können. So soll ein Radverkehrsanteil von 25 Prozent im Modalsplit der Wege erreicht werden.“ Helfen Sie dem Land NRW, dieses Ziel zu erreichen und geben Sie dem Projekt Radschnellweg parallel zu A565 eine Chance.
- Beziehen Sie bei der Bedarfsplanüberprüfung die aktuelle Gesetzes- und Verordnungslage der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union zum Erreichen der Klimaschutzziele in die Bewertung der Verkehrsprojekte ein.
- Wirken Sie darauf hin, dass in den zu Grunde gelegten Verkehrsprognosen auch der durch die jeweiligen Projekte induzierte Verkehr Eingang in die Bewertung finden muss.
- Beenden Sie die isolierte Betrachtung der Verkehrsträger und verpflichten die zuständigen Behörden zu einer integrierten Planung zur Erreichung der Mobilitätsziele.
- Berücksichtigen Sie das Fahrrad als eigenständigen Verkehrsträger in den Planungen.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Quaedvlieg
1. Vorsitzende ADFC Bonn/Rhein-Sieg
0228-221742, 0157-75270417
Bernhard Meier
2. Vorsitzender ADFC Bonn/Rhein-Sieg
0228-464119, 0178-4234020
ADFC Bonn/Rhein-Sieg
Geschäftsstelle: Breite Str. 71, 53111 Bonn
Tel: 0228-6296364, vorstand [at] adfc-bonn.de
PS: * Unsere umfängliche Stellungnahme zum Planfeststellungbeschluss zum Ausbau des Tausendfüßlers finden Sie hier.
Den hatte der ADFC bereits 2017 ins Gespräch gebracht. Für den ersten Bonner Radschnellweg (RSW) als Ost-West-Verbindung zwischen Alfter (Bahnhof Witterschlick) über Bonn-Endenich (Uni-Campus) – Nordbrücke – Sankt Augustin (Fachhochschule) weiter bis nach Niederkassel und Troisdorf oder auch zum ICE-Bahnhof Siegburg ist die Streckenführung am Tausendfüßler die Ideallinie. Das hatte auch der Bonner Rat und der Rhein-Sieg-Kreis so gesehen und deshalb Im Juni 2018 das Land zum Bau des Radschnellwegs parallel zum Tausendfüßler aufgefordert. Den Bedarfsnachweis hatten Stadt und Kreis mit der Potenzialanalyse und einer Wirtschaftlichkeitsberechnung für den regionalen Radschnellweg nachgewiesen. Der damals zuständige NRW-Verkehrsminister und heutige Ministerpräsident Hendrik Wüst blockierte jedoch mit seinem Landesbetrieb Straßen.NRW diese Planung.